Das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch ist nicht nur das Recht auf ein freies Leben, sondern auf Leben überhaupt!
Wir sind #keinemehr aus Leipzig und haben uns als feministische Gruppe nach einem Feminizid im Leipziger Auwald 2020 zusammengeschlossen. Wir organisieren uns gegen Feminizide, den Morden an Frauen, weil sie Frauen sind, den Morden an FLINTA aus misogynen Motiven und gegen männliche Gewalt. Wir wollen die strukturelle Ebene patriarchaler und männlicher Gewalt aufzeigen und bekämpfen. Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind. Frauen werden von Männern getötet, weil sie unabhängig sein wollen, weil sie einen Anspruch auf ihr eigenes Leben, auf ihren eigenen Körper, auf ihr eigenes Glück und ihre Freiheit haben. Männer nehmen diese Freiheit, weil sie es nicht aushalten, wenn Frauen ihr eigenes Leben leben. Sie wollen Kontrolle ausüben, Macht und Dominanz, weil sie gelernt haben, dass ihnen das zusteht und weil wir in einer Gesellschaft leben, die dieses Anspruchsdenken jeden Tag bestätigt.
Dieses Anspruchsdenken, das den Morden an Frauen strukturell zugrunde liegt, findet sich auch in der Haltung gegen das Recht auf Abtreibung wieder. Heute finden wir uns in Annaberg-Buchholz zusammen, um gegen patriarchale Werte und ihre Verankerung in staatlichen Institutionen zu kämpfen, gegen Zugriffe auf unsere Körper und unsere Selbstbestimmung. Wir demonstrieren gegen die Menschen, die die Bezeichnung “Lebensschützer*innen” für sich beanspruchen, jedoch den Schutz von Frauen und Menschen mit Uterus dabei außer Acht lassen. Die andauernde Bevormundung und Kontrolle von FLINTA-Personen ist ebenfalls eine Form der strukturellen Gewalt, der wir ausgesetzt sind. Frauen und Menschen mit Uterus werden zu “Geburtsmaschinen” degradiert. Ihnen wird das Recht auf ihren Körper, freie Lebensplanung entrissen. Ihnen wird das Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen.
Menschen in entscheidenden Machtpositionen sind noch immer zum größten Teil Männer, die für sich selbst beanspruchen, über die Körper von Frauen und Menschen mit Uterus zu bestimmen. Es sind Männer, die Frauen angreifen und manchmal sogar töten, wenn sie eine Abtreibung vornehmen die der Mann nicht will; Während andere Frauen zu Abtreibungen gezwungen werden, wenn der Mann das Kind nicht will. Dabei sind es doch jene Männer, die selbst niemals eine Schwangerschaft erleben werden, die deutlich weniger Care-Arbeit leisten und die seltener alleinerziehend sind. Auch Verhütung wird noch immer als “Frauensache” abgetan. Vor allem wenn es darum geht mit den Konsequenzen umzugehen. FLINTA-Personen werden gesellschaftlich bereits genug Verantwortungen zugewiesen, und wir sagen: Es reicht! Wir entscheiden selbst, wann wir Kinder haben wollen, wie viele Kinder wir haben wollen, und ob wir überhaupt welche haben wollen!
Echter Lebensschutz bedeutet eine flächendeckende Verfügbarkeit von Kliniken und Arztpraxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Er bedeutet, Schwangerschaftsabbrüche in das Medizinstudium zu verankern. Er bedeutet, dass jede Praxis oder Klinik Informationen zur Verfügung stellen darf. Und Lebensschutz bedeutet ein Einstehen gegen männliche Dominanz, gegen religiösen Fanatismus und gegen alle anderen Faktoren, die zur fremden Kontrolle über unsere Körper beitragen.
Denn kein Recht auf Abtreibung zu haben, verstärkt nicht nur Gewalt gegen Frauen, sondern muss selbst als Gewalt gegen Frauen eingeordnet werden. Wie jetzt schon in den Staaten der USA sichtbar wird in denen das Recht auf Abtreibung unrechtmäßig abgeschafft wurde, führen Abtreibungsverbote zu mehr Todesfällen bei Frauen. Denn eine Schwangerschaft birgt Risiken, auch den Tod. Und ohne Zugang zum Schwangerschaftsabbruch werden mehr Frauen sterben.
Wie eine Studie der University of Colorado Boulder zeigt, würde die Gesamtzahl der Todesfälle bei Müttern um 24 % steigen, wenn Abtreibung in den gesamten Vereinigten Staaten verboten werden würde. Noch schlimmer ist die Situation für schwarze Frauen, bei denen die Zahl der Todesfälle um 39 % steigen würde. In den USA haben achtzehn Bundesstaaten, in denen mehr als 25 Millionen Personen im reproduktiven Alter leben, den Zugang zu Abtreibungsbehandlungen ganz oder teilweise verboten, mit wenigen Ausnahmen, die kaum durchsetzbar sind. Schon jetzt ist es für Tausende von Menschen unmöglich, einen notwendigen Schwangerschaftsabbruch zu erhalten, wovon People of Colour am stärksten betroffen sind. Wenn einer Person der Zugang zu Abtreibungsbehandlungen verwehrt wird, ist sie gezwungen, eine Schwangerschaft gegen ihren Willen fortzusetzen, selbst wenn ernsthafte gesundheitliche Gefahren bestehen. Dies ist an sich schon eine Verletzung der Menschenrechte.
In den USA wird der Zusammenhang von religiösem Fundamentalismus, politischem Konservatismus und extrem rechten Postionen besonders deutlich. Im Antifeminismus und Frauenhass kommen alle zusammen. Hier wird ein patriarchales Familienbild propagiert in dem das Leben der Frau und das Leben von Menschen mit Uterus und queeren Menschen nichts wert ist, wenn sie unabhängig sein möchte. Wenn sie ihr eigenes Leben leben wollen. Auch in Deutschland gibt es diese Zusammenhänge, die Zusammenarbeit von religiösem Fundamentalismus mit extremer Rechte und politischem Konservatismus, wenn es um Frauenrechte geht. Gegen diesen Zusammenhang, gegen diese Gewalt und dieses Anspruchsdenken setzen wir uns heute hier in AnnaBerg-Buchholz gemeinsam ein.
Wir sagen: Schwangerschaftsabbrüche sind Lebensschutz. Das Recht eines jeden Menschen mit Uterus auf einen Schwangerschaftssabbruch muss bestehen, denn es ist ein Menschenrecht! Und es ist nicht nur das Recht auf ein freies Leben, sondern auf Leben überhaupt!
Wir wollen selbst bestimmen. Wir wollen frei sein. Wir wollen Leben.
Wir stehen damit in Solidarität mit Frauen und Menschen mit Uterus weltweit denen das Recht auf Abtreibung verwehrt ist und die tagtäglich dagegen kämpfen: In den USA. In Polen. Mit den kämpfenden Frauen und Menschen im Iran. In Ägypten, im Kongo, im Senegal, in Malta, in Indonesien und allen anderen Ländern.
Wir sind heute hier, weil wir nie vergessen dürfen, dass wir viele sind und das wir kämpfen, auch wenn uns dieWut und Trauer manchmal aufzufressen droht. Wir stehen zusammen und kämpfen für das Leben von Frauen. Weltweit.
Ni Una Menos, JIn Jiyan Azadi – Keine Weniger