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Für einen emanzipatorischen 8. März

Wir sind ein Zusammenschluss verschiedener linker Gruppen Leipzigs und laden herzlich zum Emanzipatorischen 8. März auf der Kolonnadenstraße ein.

Wir haben uns zusammengeschlossen, weil wir den 8. März zurückwollen. Einen 8. März mit vielfältigen, emanzipatorischen, konkreten, utopischen, kämpferischen, feministischen Forderungen.

Gründe, an diesem und jedem anderen Tag laut zu sein, gibt es mehr als genug.

114 Femizide im letzten Jahr, 157 818 Opfer häuslicher Gewalt im Jahr davor, davon über 70% Frauen. Und das sind nur die Hellfeld-Zahlen, deren Meldung Eingang in die Statistiken findet.

Die Familie ist für viele Frauen, transgeschlechtliche Menschen, intergeschlechtliche und nonbinäre Personen ein potenziell gefährlicher Raum. Ausreichend Plätze in Frauenhäusern gibt es kaum, Femizide werden noch immer als „Beziehungstaten“ bagatellisiert, die Istanbul Konvention nicht annähernd erfüllt. Frauen und Queers mit Behinderung sind häufig in hohem Maß von Gewalt betroffen.

Doch patriarchale Gewalt beginnt nicht mit tätlichen Angriffen, beginnt nicht mit Mord. Patriarchale Gewalt beginnt viel kleiner. Im Alltag. Bei „Witzeleien“ der Kollegen, über die man gefälligst zu lachen hat, bei Blicken und Sprüchen in der Straßenbahn, bei Männern, die sich weigern ihrer Verhütungsverantwortung gerecht zu werden, bei aufdringlichen Chatnachrichten, bei der immer mitlaufenden Angst auf Heimwegen, bei Tätern, die auf Bühnen beklatscht werden, während ihre Opfer Morddrohungen erhalten, und schlussendlich in Parlamenten und Gesetzgebungen. Es zeigt sich wieder einmal, dass im Kampf um ein sicheres Leben kein Verlass auf den Staat ist.

Und selbst da wo behauptet wird, Gleichberechtigung sei bereits erreicht, gibt es noch viel zu tun. Mittlerweile sind beispielsweise fast alle Frauen erwerbstätig, das klassische Modell von Hausfrau und Ernährer ist in der Theorie unbeliebt geworden. Und doch sprechen die Zahlen aus der Praxis eine ganz andere Sprache. Demnach leisten Frauen durchschnittlich jeden Tag vier Stunden und 13 Minuten unbezahlter Fürsorgearbeit – Männer etwa die Hälfte. Leben Kinder mit im Haushalt wird die Schere noch größer, in Paarhaushalten verrichten Mütter dann schon 83,3% mehr Fürsorgearbeit als Väter. Auch die Verteilung von Elternzeit spielt hier eine große Rolle, mehr als 90% entfällt dabei auf Frauen.

Das ist nicht nur ungerecht, sondern hat auch real spürbare ökonomische Konsequenzen. Frauen arbeiten noch immer in schlechter bezahlten Berufen, häufiger in Teilzeit, seltener in Führungspositionen. Das sorgt für wirtschaftliche Abhängigkeit vom besser verdienenden Partner und drohende Altersarmut. Schon heute sind mit 20% der Ü65-Jährigen knapp eine Million mehr Frauen armutsgefährdet als gleichaltrige Männer.

Mehr noch – für Frauen bedeutet Armut auch etwas anderes als für Männer. Denn finanzielle Abhängigkeit spielt eine wichtige Rolle bei der Frage, wie Frauen in Beziehungen mit gewalttätigen Männern geraten und ob sie sich aus diesen befreien können. Ökonomische Machtverhältnisse und gesellschaftlich zugewiesene Tätigkeitsfelder halten ein sexistisches Anspruchsdenken in (Partnerschafts-)Beziehungen aufrecht, welches eigentumsähnliche Formen annehmen kann. Durch staatliche Absicherung des hierarchischen Geschlechterverhältnisses erhalten Männer die Verfügungsmacht über die Zeit und den Körper von Frauen zur Verrichtung von Care-Arbeit. Solange unter dem Begriff des „Familienversorgers“ nicht die emotionale Sorgearbeit, Erziehung und Pflegearbeit gefasst wird, bleibt die Entscheidungs-, und Handlungsmacht bei dem ökonomisch stärkeren Partner.

Und selbst bei gleicher Arbeit zur gleichen Arbeitszeit verdienen Frauen noch immer im Schnitt 6% weniger als ihre männlichen Kollegen, leisten aber in der privaten Sphäre auch mit Vollzeitberufen täglich 1,6-mal soviel Fürsorgearbeit wie in Vollzeit beschäftigte Männer.

Für uns ist daher klar: Küche, Ehe, Vaterland? Gehören abgeschafft!

Schlechtes Wetter, harte Zeiten.

Laut aktuellen Umfragen wird sich ein Drittel aller wahlberechtigten Erwachsenen in Sachsen bei den kommenden Kommunal- und Landtagswahlen für eine faschistische Partei entscheiden.

Exemplarisch für die Normalisierung des Rechtsrucks sind die kürzlich bekannt gewordenen „Remigrationspläne“ von Werteunion, AfD und langjährigen Faschoaktivist*innen. Solche Treffen lösen zu Recht Empörung aus, und finden doch gleichzeitig zu einem erstarkenden regressiven Antifeminismus, etablierter Queerfeindlichkeit und einem wahrnehmbaren Genderbacklash mit Retraditionalisierung der Geschlechterrollen statt. Ungeachtet der sich daraus ergebenden drohenden Gefahr, erleben wir seit einigen Jahren starke staatliche Repression gegen radikale Linke, die auch in den kommenden Jahren nicht abreißen wird. Angriffe auf feministische Errungenschaften und antifaschistischen Aktivismus liegen daher im Zentrum unseres politischen Widerstandes und mehr denn je braucht es entschlossene Bündnisse und Strategien, fernab von Großdemos und inhaltslosen Lippenbekenntnissen a la „Nie wieder!“. Siempre antifa!

Doch auch Parteien fernab von CDU und AfD beteiligen sich am gesellschaftlichen Rechtsruck. So zeigte sich die rot-grüne Bundesregierung kürzlich sehr zufrieden mit der Verschärfung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Erstmals sollen Asylverfahren bereits an den EU-Außengrenzen durchgeführt werden, Geflüchtete werden somit am Einreisen in die EU gehindert. Dazu sollen Asylzentren, also Auffanglager mit haftähnlichen Zuständen, in Grenznähe entstehen, in denen mittels eines „Screenings“ die Identität von Schutzsuchenden vor Ort überprüft und ihre Aufenthaltschancen eingeschätzt werden. Diese Gesetzesänderung stellt die massivste Verschärfung des Asylrechts seit Gründung der EU dar. Die humanitäre Katastrophe an den europäischen Außengrenzen wird sich verschlimmern. Ist dieser immense Abbau von Menschenrechten im Flüchtlingsschutz die versprochene „feministische Außenpolitik“?

Für deine, meine, unsere Schwestern!

Unsere Solidarität macht an Ländergrenzen nicht halt. Zahlreiche Kriege, gesellschaftliche Krisen und komplexe politische Entwicklungen erschüttern uns und stellen uns als Bewegung vor große Herausforderungen.

Wir solidarisieren uns mit den mutigen Menschen, die unter Lebensgefahr im Iran für eine Befreiung vom islamistischen Mullah-Regime kämpfen. Wir stehen solidarisch mit Frauen und queeren Menschen in Afghanistan, mit Ezid*innen, mit kurdischen Aktivist*innen und Betroffenen in der Ukraine, die unter als Kriegswaffe eingesetzter sexueller Gewalt leiden.

In Mexiko werden tausende Frauen jährlich ihres Geschlechts wegen ermordet, in El Salvador werden Frauen nach Fehlgeburten ins Gefängnis geworfen. In den USA droht die Wiederwahl von Donald Trump und schon jetzt sehen sich die dort lebenden Frauen und anderen Betroffenen durch regressive Gesetzgebung mit den potenziell tödlichen Auswirkungen von fehlender körperlicher und sexueller Selbstbestimmung konfrontiert. Deshalb werden wir nicht müde zu betonen, dass unser gemeinsamer Kampf erst dann gewonnen sein kann, wenn universalistische Rechte gelten und alle Frauen und Queers frei sind! Dies ist insbesondere mit dem Blick auf die aktuelle weltpolitische Lage entscheidend, kann man doch überall einen massiven Ruck hin zum Konservativen, hin zum Rechten beobachten. Und auch die radikale Linke ringt in diesen krisenhaften Zeiten um Antworten auf komplexe Fragen. Doch in einem sollte sie sich einig sein: Die Lösung der Probleme findet sich weder in autoritären Strukturen noch im Zusammenschluss mit ideologisch regressiven Gruppen und Bewegungen.

Me too unless you`re a jew?

Dieses Jahr begehen wir den ersten 8. März nach dem 7. Oktober 2023, dem verheerendsten Angriff auf jüdisches Leben seit 1945.

Der Angriff der radikalislamistischen Terrororganisation Hamas, sowie unterstützenden Vereinigungen wie der Islamische Jihad in Palästina (PIJ), auf das Nova-Musikfestival und umliegende Kibbuze ist nicht nur ein antisemitischer, sondern auch ein gezielt misogyner Angriff auf Frauen und auf freiheitliches Leben gewesen. Die 134 Geiseln, die sich noch immer in Gefangenschaft befinden, – nicht nur die Frauen – sind dieser Gewalt ausgesetzt. Wir möchten den 8. März nutzen, um die sofortige Freilassung aller Geiseln zu fordern! #bringthemhomenow.

Gerade deswegen erfüllt uns der Umgang diverser vermeintlich linker Gruppen und Feminist*innen mit Entsetzen. Insbesondere die Positionen von Gruppen wie Zora, Pride Rebellion oder Young Struggle lassen uns fassungslos zurück. Wie Gruppen, die sich die Überwindung des Patriarchats auf die Fahne geschrieben haben, Überlebenden schwerster sexueller Gewalt mit derartigem Zweifel und Täter-Opfer-Umkehr begegnen können, scheint im Anblick ihrer sonstigen Positionen nahezu harmlos. Nicht nur, dass sie die Gewalt der Hamas als Akt der Befreiung verklären, sie fantasieren zudem eine sozialistische Revolution und sehnen sich mit Parolen wie „Yallah Yallah Intifida“ oder „From the River to the sea“ gezielt die Vernichtung jüdischen Lebens im Nahen Osten herbei.

Wir fordern ein Ende des Leids der palästinensischen Zivilbevölkerung unter dem Krieg in Gaza und der Herrschaft islamistischer Gruppen. Wir trauern um die über 20.000 Zivilist*innen, die bei dem Konflikt bisher ums Leben gekommen sind. Auch auf palästinensischer Seite sind es immer wieder und vor allem Frauen, die die Leidtragenden darstellen. Deshalb können wir als Feminist*innen kein gemeinsames Ziel mit antiemanzipatorischen Kräften ausmachen, die Zivilist*innen bewusst als menschliche Schutzschilde nutzen. Hass gegen Frauen und Queers ist fundamentaler Bestandteil der regressiven Ideologie der islamistischen Herrscher.

Wer islamistische Regime und Gruppen widerspruchsfrei als Freiheitskämpfer stilisiert, negiert nicht nur das Leid vor Ort, sondern missachtet auch die Gefahr religiöser Fundamentalist*innen. Wie real diese Gefahr auch abseits von Krieg und Terror ist, zeigt sich auch in den massiv gestiegen Taten antisemitischer Gewalt hierzulande. Weltweit findet zudem online eine Welle von antisemitischer Desinformation, Deligitimierung des israelischen Staates, Normalisierung von Genozidaufrufen am jüdischen Volk und islamistischer Radikalisierung statt.

Es bleibt Aufgabe einer radikalen Linken, Religion kritisch zu hinterfragen und die darunterliegenden misogynen, queerfeindlichen und oft antisemitischen Absichten zu erkennen und ihnen etwas entgegenzusetzen, ohne im Umkehrschluss Einzelpersonen rassistischer Abwertung auszuliefern.

Feminismus? Nur universell!

Ein 8. März im Zeichen des Kampfes für eine befreite Gesellschaft für alle, und nicht in dogmatischer Hingabe zu einem selektiven Pseudo-Feminismus, kann nur dann gelingen, wenn eine Unterwanderung feministischer Veranstaltungen durch Kader-Gruppen, die sich entgegen linker universalistischer Werte positionieren, nicht unwidersprochen bleibt.

Deswegen wollen wir es nicht hinnehmen, dass in der Orga der Demonstration des 8M-Bündnis Leipzig Gruppen sitzen, die in ihrem sogenannten „Revolutionären Block“ Vernichtungsfantasien auf die Straße tragen, dabei auch islamistisch-fundamentalistischen Forderungen den Weg bereiten und diese im Rahmen einer feministischen Großveranstaltung zu normalisieren gedenken.

Wir rufen daher auch insbesondere die Leipziger Polit-Landschaft auf, ihre Mitwirkung am Bündnis und der Demonstration kritisch zu hinterfragen.

Wir laden euch ein, mit uns einen 8. März zu begehen, der seiner ursprünglichen Idee gerecht wird.

Wir wollen dabei nicht die individualisierte vermeintliche Verbesserung für einige wenige selbsternannte Girlbosses, wir wollen nichts anderes als die Befreiung aus patriarchalen, kapitalistischen, antisemitischen und rassistischen Zusammenhängen für alle! Tragt mit uns die Forderungen für ein selbstbestimmtes und freies Leben für alle vom Patriarchat Betroffenen auf die Straße!

Es wird eine kinderfreundliche Veranstaltung mit Spielecke und Kinderbetreuung.

Die Kundgebung ist offen für alle Altersklassen und Geschlechter und findet auf der Kolonnadenstraße, am 8. März 2024, von 15-19 Uhr statt. Weitere Infos folgen!

Unterzeichnet von:

apra, fantifa Leipzig, keine mehr Leipzig, outside the box – Zeitschrift für feministische Gesellschaftskritik, Junges Forum Leipzig, Pro Choice Leipzig, Utopie & Praxis, [k]appa, „Rassismus tötet!“ – Leipzig

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Redebeitrag Kundgebung: Gewaltschutz in Leipzig? Massiv in Gefahr!

05.07.2023
Liebe Mitarbeiterinnen der Gewaltschutzstrukturen in Leipzig, liebe Mitstreiter*innen, liebe Mithörenden:
Auf den Staat ist kein Verlass! 
Jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland die Frau umzubringen, mit der er eine Beziehung führt oder geführt hat. Alle zwei bis drei Tage ist er dabei erfolgreich. Wir von KeineMehr-Leipzig haben seit 2011 fünfzehn solcher Femizide in Leipzig dokumentiert, also Morde an Frauen, die getötet wurden, weil sie in den Augen der männlichen Täter nicht den weiblichen Rollenerwartungen entsprochen haben. Überall auf der Welt wächst der Widerstand gegen männliche Gewalt, vor allem gegen Femizide. In Lateinamerka, wo es besonders viele misogyne Morde gibt und die Bewegung besonders stark ist, spricht man nicht von Femiziden, sondern FemiNIziden. Die Aktivistinnen wollen damit darauf hinweisen, dass es nicht allein die gewalttätigen Männer sind, die die Frauen auf dem Gewissen haben, sondern auch der Staat. Der Staat, der männliche Gewalt gar nicht oder nur desinteressiert verfolgt, der Staat, dessen Polizei und Richter die Täter oft sogar entschuldigen und schützen. Als Teil der Bewegung gegen Feminizide sind wir hier um noch mal in aller Deutlichkeit zu sagen: “El estado opresor es un macho violador”, Auch der deutsche Staat ist ein Machostaat, der unterdrückt, dessen Strukturen Gewalt ausüben und legitimieren: Deswegen müssen wir uns darüber im klaren werden: Auf den Staat ist kein Verlass!
Auf den Staat ist kein Verlass. Das erfuhr auch die autonome Frauenhausbewegung als sie in den 1970er Jahren die ersten Schutzeinrichtungen gründeten. Wenn der Staat überhaupt Geld in Gewaltschutz investierte, gab er es nicht den Organisationen, die eine patriarchale Gesellschaft anklagten und männliche Gewalt öffentlich machen wollten. Nicht den Feministinnen, nicht den Gruppen und Vereinen, in denen sich Frauen bestärken, empowern und organisieren wollten. Nein: Geld vom Staat gab es vor allem für Wohlfahrtsverbände, weil sie versprachen den Kapitalismus und die Kleinfamilie nicht zu kritisieren, sondern zu stabilisieren. Fast 50 Jahre später und es hat sich nichts Grundlegendes geändert. Der Schutz vor männlicher Gewalt ist immer wieder nur Elendsverwaltung und alle die daran etwas ändern wollen mussten und müssen immer wieder feststellen: Auf den Staat ist kein Verlass.
Wir sind heute hier, um mehr Unterstützung und Finanzierung von der Stadt Leipzig und dem Land Sachsen für Gewaltschutzstrukturen zu fordern. Das ist richtig und wichtig. Wir brauchen alle Ressourcen die wir kriegen können, um Frauen, Jugendliche und Kinder, aber auch Homosexuelle, Intergeschlechtliche und transgeschlechtliche Menschen, vor allem trans Frauen, die immer wieder durch die öffentlichen Netze fallen, vor patriarchaler Gewalt, vor männlicher Gewalt zu schützen. 
Wir haben also Forderung an diesen Staat, gleichzeitig sollten wir trotzdem auf die Vergangenheit und Gegenwart der feministischen Bewegung schauen und uns stets daran erinnern: Der Staat ist kein Verbündeter im Kampf gegen das Patriarchat, sondern ein zentraler Teil von ihm!
Es ist dieser Staat, der den Kapitalismus garantiert und aufrecht erhält. Ein zutiefst menschenfeindliches Gesellschaftssystem, in dem wir uns Liebe, Geborgenheit, Füreinander da sein, kurz: ein gutes Leben unter Menschen, in dem unsere Bedürfnisse im Zentrum stehen, oft nur noch im kleinen Kreis des Privaten, der Familie überhaupt noch vorstellen können. Es ist dieser Staat der mit dafür sorgt, dass dieses Versprechen auf ein gutes Leben ein patriarchaler Alptraum für vor allem Frauen wird: Denn sie sollen im Privaten, in der Familie unbezahlt für das Glück von anderen, vor allem für Männer arbeiten. Und es ist dieser Staat, der immer wieder wegsieht, wenn Männer mit Gewalt sicherstellen, dass Frauen dieser Rolle auch nachkommen. Dieser Staat, der duldet, wenn Männer Frauen dafür bestrafen, wenn sie sich nicht unterwerfen wollen. Es ist dieser Staat, der es immer wieder zulässt, dass Männer Frauen, die ein eigenes unabhängiges Leben führen wollen, ermorden.
Ja, wir wollen das Geld vom Staat, denn wir können es nutzen. Aber das, was wir brauchen, ist eine breite gesellschaftliche Bewegung gegen männliche Gewalt, gegen die patriarchalen Zustände und kapitalistischen Strukturen, die diese Gewalt hervorbringen und benötigen, um weiterexistieren zu können. Und dafür gilt: Auf den Staat ist kein Verlass. Frauen, die Leben, sind Frauen die kämpfen. Ni Una Menos, Keine Mehr!
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Vortrag: Rechtsform und Rapeculture. Eine marxistisch-feministische Kritik des bürgerlichen Willens und seiner männlichen Gewalt

Welche Form nimmt der Wille der Einzelnen im kapitalistischen Patriarchat an, warum wird der Inhalt dieses Willens gerade bei Männern »massenhaft« das »Unterjochen« von Frauen und wie haben sie dabei Staat und Recht auf ihrer Seite? Der Vortrag beantwortet diese Fragen mit einer grundsätzlichen Kritik des bürgerlichen Rechts und der (männlichen) Willens-Subjektivität, welche von diesem Recht verwirklicht wird. So lässt sich auch zeigen, warum Reformen des Rechts und eine Ausweitung von Vertragslogik (wie in der sexuellen Konsensmoral) zwar notwendig sind, aber nie eine wirklich feministische Lösung des Problems sein können.

Es referiert Kim Posster.

19.07. – 19h – Index (Breite Str. 1, Leipzig)

 

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29.07.23 Vortrag zur Prozessbegleitung zum Femizid an Besma A. in Göttingen 2021-23

Die Gruppe keine mehr & das Offene Antifa Treffen laden am Samstag, den 29. Juli 2023 um 18:00 ins Café des Conne Islands ein:
Vortrag zur Prozessbegleitung zum Femizid an Besma A. in Göttingen 2021-23

Fast 2 Jahre lang wurde am Landgericht Göttingen der Femizid an Besma A. verhandelt. Besma A. wurde im April 2020 von ihrem Ehemann schlafend im Wohnzimmer erschossen. Diese zwei Jahre lang hat die AG
Prozessbegleitung jeden Prozesstag beobachtet, das Prozessgeschehen analysiert und kritisiert und immer wieder Gerechtigkeit für Besma gefordert. Nun ist der Täter für den Mord an Besma A. verurteilt worden.
Neben viel Wut über das Prozessgeschehen bleibt die Frage – wurde für Besma A. Gerechtigkeit geschaffen?
Die AG Prozessbegleitung in ihrem Vortrag über ihre Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse von den letzten Monaten des Prozesses. Sie zieht aber auch ein Fazit über den Prozess und ihre eigene Arbeit als
Prozessbegleitung.
Es referiert die AG Prozessbegleitung zum Femizid an Besma A.
Solivortrag für keine mehr Leipzig – über Spenden freuen wir uns!

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Redebeitrag zum Protest gegen den Schweigemarsch in Annaberg-Buchholz am 03.06.2023

Das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch ist nicht nur das Recht auf ein freies Leben, sondern auf Leben überhaupt!
Wir sind #keinemehr aus Leipzig und haben uns als feministische Gruppe nach einem Feminizid im Leipziger Auwald 2020 zusammengeschlossen. Wir organisieren uns gegen Feminizide, den Morden an Frauen, weil sie Frauen sind, den Morden an FLINTA aus misogynen Motiven und gegen männliche Gewalt. Wir wollen die strukturelle Ebene patriarchaler und männlicher  Gewalt aufzeigen und bekämpfen. Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind. Frauen werden von Männern getötet, weil sie unabhängig sein wollen, weil sie einen Anspruch auf ihr eigenes Leben, auf ihren eigenen Körper, auf ihr eigenes Glück und ihre Freiheit haben. Männer nehmen diese Freiheit, weil sie es nicht aushalten, wenn Frauen ihr eigenes Leben leben. Sie wollen Kontrolle ausüben, Macht und Dominanz, weil sie gelernt haben, dass ihnen das zusteht und weil wir in einer Gesellschaft leben, die dieses Anspruchsdenken jeden Tag bestätigt. 
Dieses Anspruchsdenken, das den Morden an Frauen strukturell zugrunde liegt, findet sich auch in der Haltung gegen das Recht auf Abtreibung wieder. Heute finden wir uns in Annaberg-Buchholz zusammen, um gegen patriarchale Werte und ihre Verankerung in staatlichen Institutionen zu kämpfen, gegen Zugriffe auf unsere Körper und unsere Selbstbestimmung. Wir demonstrieren gegen die Menschen, die die Bezeichnung “Lebensschützer*innen” für sich beanspruchen, jedoch den Schutz von Frauen und Menschen mit Uterus dabei außer Acht lassen. Die andauernde Bevormundung und Kontrolle von FLINTA-Personen ist ebenfalls eine Form der strukturellen Gewalt, der wir ausgesetzt sind. Frauen und Menschen mit Uterus werden zu “Geburtsmaschinen” degradiert. Ihnen wird  das Recht auf ihren Körper, freie Lebensplanung entrissen. Ihnen wird das Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen. 
Menschen in entscheidenden Machtpositionen sind noch immer zum größten Teil Männer, die für sich selbst beanspruchen, über die Körper von Frauen und Menschen mit Uterus zu bestimmen. Es sind Männer, die Frauen angreifen und manchmal sogar töten, wenn sie eine Abtreibung vornehmen die der Mann nicht will; Während andere Frauen zu Abtreibungen gezwungen werden, wenn der Mann das Kind nicht will. Dabei sind es doch jene Männer, die selbst niemals eine Schwangerschaft erleben werden, die deutlich weniger Care-Arbeit leisten und die seltener alleinerziehend sind. Auch Verhütung wird noch immer als “Frauensache” abgetan. Vor allem wenn es darum geht mit den Konsequenzen umzugehen.  FLINTA-Personen werden gesellschaftlich bereits genug Verantwortungen zugewiesen, und wir sagen: Es reicht! Wir entscheiden selbst, wann wir Kinder haben wollen, wie viele Kinder wir haben wollen, und ob wir überhaupt welche haben wollen! 
Echter Lebensschutz bedeutet eine flächendeckende Verfügbarkeit von Kliniken und Arztpraxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Er bedeutet, Schwangerschaftsabbrüche in das Medizinstudium zu verankern. Er bedeutet, dass jede Praxis oder Klinik Informationen zur Verfügung stellen darf. Und Lebensschutz  bedeutet ein Einstehen gegen männliche Dominanz, gegen religiösen Fanatismus und gegen alle anderen Faktoren, die zur fremden Kontrolle über unsere Körper beitragen. 
Denn kein Recht auf Abtreibung zu haben, verstärkt nicht nur Gewalt gegen Frauen, sondern muss selbst als Gewalt gegen Frauen eingeordnet werden. Wie jetzt schon in den Staaten der USA sichtbar wird in denen das Recht auf Abtreibung unrechtmäßig abgeschafft wurde, führen Abtreibungsverbote zu mehr Todesfällen bei Frauen. Denn eine Schwangerschaft birgt Risiken, auch den Tod. Und ohne Zugang zum Schwangerschaftsabbruch werden mehr Frauen sterben. 
Wie eine Studie der University of Colorado Boulder zeigt, würde die Gesamtzahl der Todesfälle bei Müttern um 24 % steigen, wenn Abtreibung in den gesamten Vereinigten Staaten verboten werden würde. Noch schlimmer ist die Situation für schwarze Frauen, bei denen die Zahl der Todesfälle um 39 % steigen würde. In den USA haben achtzehn Bundesstaaten, in denen mehr als 25 Millionen Personen im reproduktiven Alter leben, den Zugang zu Abtreibungsbehandlungen ganz oder teilweise verboten, mit wenigen Ausnahmen, die kaum durchsetzbar sind. Schon jetzt ist es für Tausende von Menschen unmöglich, einen notwendigen Schwangerschaftsabbruch zu erhalten, wovon People of Colour am stärksten betroffen sind. Wenn einer Person der Zugang zu Abtreibungsbehandlungen verwehrt wird, ist sie gezwungen, eine Schwangerschaft gegen ihren Willen fortzusetzen, selbst wenn ernsthafte gesundheitliche Gefahren bestehen. Dies ist an sich schon eine Verletzung der Menschenrechte.
In den USA wird der Zusammenhang von religiösem Fundamentalismus, politischem Konservatismus und extrem rechten Postionen besonders deutlich. Im Antifeminismus und Frauenhass kommen alle zusammen. Hier wird ein patriarchales Familienbild propagiert in dem das Leben der Frau und das Leben von Menschen mit Uterus und queeren Menschen nichts wert ist, wenn sie unabhängig sein möchte. Wenn sie ihr eigenes Leben leben wollen. Auch in Deutschland gibt es diese Zusammenhänge, die Zusammenarbeit von religiösem Fundamentalismus mit extremer Rechte und politischem Konservatismus, wenn es um Frauenrechte geht. Gegen diesen Zusammenhang, gegen diese Gewalt und dieses Anspruchsdenken setzen wir uns heute hier in AnnaBerg-Buchholz gemeinsam ein. 
Wir sagen: Schwangerschaftsabbrüche sind Lebensschutz. Das Recht eines jeden Menschen mit Uterus auf einen Schwangerschaftssabbruch muss bestehen, denn es ist ein Menschenrecht! Und es ist nicht nur das Recht auf ein freies Leben, sondern auf Leben überhaupt! 
Wir wollen selbst bestimmen. Wir wollen frei sein. Wir wollen Leben. 
Wir stehen damit in Solidarität mit Frauen und Menschen mit Uterus weltweit denen das Recht auf Abtreibung verwehrt ist und die tagtäglich dagegen kämpfen: In den USA. In Polen. Mit den kämpfenden Frauen und Menschen im Iran. In Ägypten, im Kongo, im Senegal, in Malta, in Indonesien und allen anderen Ländern.
Wir sind heute hier, weil wir nie vergessen dürfen, dass wir viele sind und das wir kämpfen, auch wenn uns dieWut und Trauer manchmal aufzufressen droht. Wir stehen zusammen und kämpfen für das Leben von Frauen. Weltweit. 
Ni Una Menos, JIn Jiyan Azadi – Keine Weniger 
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Re:Enchanted Bodies Ausstellung

Das Ausstellungsprojekt RE:ENCHANTED BODIES beleuchtet Weiblichkeit im Kontext kapitalistischer Körperpolitik und verortet unter Verwendung der Theorien Silvia Federicis und Elke Krasnys die daraus gewachsene Gewaltgeschichte in der Gegenwart. Das Projekt will künstlerische Arbeit und politischen Aktivismus aus der Region zusammen denken und klassische objektorientierte und objektivierende Ausstellungspraxen, wie sie in Museen üblich sind, überwinden. Die Gruppenausstellung mit der Laufzeit vom 4. bis 13. Mai belebt eine leerstehende Ladenfläche im Hallenser Stadtzentrum als temporären Kunstraum wieder.
Ausgehend von der Museumsnacht Halle/ Leipzig 2023 will das Projekt als kuratorische Intervention dienen und gerahmt von zwei Aktionstagen, mit Vorträgen, Performances und Lesungen, Zukunftsent-
würfe entwickeln und den Opfern sexualisierter Gewalt gedenken.

Wir sind eingeladen, unseren Aktivismus vorzustellen und werden an der Ausstellung beitragen.

Mit Beiträgen von
Sophie C. Polheim, Gerda Voigt, Dina Zaitev, Mina Bamarni, Paulina Brunner, Lotti Brockmann, Alexandra Ivanciu + Jolanta Nowaczyk, Lick Your Wounds,#keinemehr, MONAliesA

Laura Leogrande, Dr. Katrin Moeller, Julia Cruschwitz + Carolin Haentjes, Constanze Stutz, Veronika Kracher

Grafik von Lisa Schumann
Kuratiert von Hanna Thuma + Janika Jähnisch

4.-13. Mai
Eröffnung 4. Mai ab 16:00
Do – Sa 14:00 bis 20:00
Sa. 6.5. 14:00 bis 22:00

Einkaufszentrum Rolltreppe Halle, Große Ulrichstraße 59
06108 Halle (Saale)

Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung der Saalesparkasse, der Stadt Halle, des Ulmervereins, des Einkaufzentrums Rolltreppe, des StuRa der Burg, des Vereins zum interdisziplinären künstlerischen Austauschs, der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle und dem Studentenwerk Halle


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Aufruf zur Kundgebung am 17.11.2022

Feminizide stoppen – Patriarchale Gewalt bekämpfen!

Aufruf zur Gedenkkundgebung am Donnerstag, 17.11.2022 um 19 Uhr. Kommt mit uns zur Portitzer Straße 1/ Ecke Eisenbahnstraße und gedenkt der Frau, die dort am 08.11.2022 von einem Freier in einem gemieteten Zimmer getötet wurde.

Es heißt Feminizid!

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to:gather Kundgebung am 15.10.



Am 15.10. laden Phia e.V. und #KeineMehr Leipzig ab 16.00 Uhr auf die Kolonadenstraße ein, um zusammenzukommen, sich auszutauschen, zu empowern und für Sophia einen gemeinsamen Ort der Erinnerung zu schaffen. Unterstützt werden wir von PS – Politisch Schreiben, Frauen für Frauen e.V., vom Flinta* Chor Leipzig, von Freund:innen und Genoss:innen, die sich alle, ob politisch, sozial oder künstlerisch, gegen Ungerechtigkeit und Gewalt an Flintapersonen engagieren und gemeinsam für eine feministische, lebensbejahende Zukunft kämpfen in der kein Mensch mehr aufgrund des Geschlechtes angegriffen oder getötet wird.

Freut euch auf Kuchen und kalte Getränke aus dem “Bis Speter” ab 16.00 Uhr, lyrische und Redebeiträge, Lieder vom Flinta*-Chor Leipzig, gutes Essen ab 18.30 Uhr und Solikonzert im Stoned ab 20.30 Uhr.

Erinnern heißt kämpfen. Kämpfen heisst überwinden. Überwinden heisst Veränderung.

On 15 October at 4pm, Phia e.V. and #KeineMehr Leipzig invite you to Kolonadenstraße to come together, exchange, empower and create a common place of remembrance for Sophia. We are supported by PS – Politisch Schreiben, Frauen für Frauen e.V. , Flinta* Chor Leipzig, by friends and comrades, all of whom, whether politically, socially or artistically, are committed to fighting injustice and violence against Flinta and fighting together for a feminist, life-affirming future in which no one is attacked or killed because of their gender any more.

Look forward to cake and cold drinks from the “Bis Speter” from 4pm, lyrical contributions, talks and singing from the Flinta* Choir Leipzig, good food from 6.30pm and Soliconcert at Stoned from 8.30pm.

Remembering means fighting. Fighting means overcoming. Overcoming means change.
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Wir trauern und gedenken Dorin V.

Sehr geehrte Redaktion der LVZ, Sehr geehrter Herr Döring,

am 27. Dezember 2021 wurde Dorin V. in ihrer Wohnung von einem Mann ermordet. In Deutschland geschieht eine solche Tat jeden zweiten bis dritten Tag. Wir bezeichnen diese Morde als Feminizide und sind immer wieder über die gängige Berichterstattung erschrocken.
Wir freuen uns, dass unsere letzte diesbezügliche Kritik der LVZ zu Veränderungen geführt hat. Dennoch haben wir zu der Berichterstattung zum Feminizid an Dorin V. einige Anmerkungen, die wir gerne mit Ihnen teilen würden und beziehen uns dabei maßgeblich auf die Artikel vom 30.05.2022 und 03.06.2022.
Der Titel des Artikels vom 30.05.2022 ist insofern gelungen, da er die Tat eindeutig als Mord bezeichnet und auch wenn der erste Satz etwas reißerisch anmutet, entstammt er ja nicht ihrer Feder, sondern der der Staatsanwaltschaft. Wir stellen uns jedoch die Frage, ob das Tatmotiv der ausbleibenden Beziehung ebenfalls der Anklageschrift entnommen wurde? Schließlich wirkt dieser Satz wie eine Erklärung für den Mord, die jedoch nur die Täterperspektive berücksichtigt. Auch die Beschreibung des Verhältnisses von Täter und Ermorderter als “Beziehung” wird hier ungefiltert aus der Perspektive des Täters geschildert und führt uns zu der Frage, ob das Kennenlernen der beiden schon als Beziehung zu werten ist. Solche Formulierungen ermöglichen es leider, Assoziationen zu dem viel zitierten Begriff der “Beziehungstat” zu wecken. Hier wiederum wäre darauf zu verweisen, dass es sich bei der Idee, eine Frau müsste dafür bestraft werden, dass sie keine Beziehung zu einem Mann will um die Zuspitzung einer weit verbreiteten Männlichkeitsvorstellung ist, in der Männer qua Geschlecht Anrecht auf Frauen haben. Die Konsequenzen, die sich für Frauen daraus ergeben sind keine Einzelfälle, sondern strukturelles Problem einer männlich dominierten Gesellschaft. Hier bedarf es einer kritischen Einordnung des Motivs des Täters.

Kommen wir zurück zu der Berichterstattung:
Diese Idee einer berechtigten männlichen Anspruchshaltung wird gestützt, in dem die Frage, warum Dorin V. Markus W. die Tür öffnete mit der Aussage verknüpft wird, dass sie ja bereits erneut liiert sei. Soll die Schlussfolgerung hierbei sein, dass eine liierte Frau keine (Ex-)Männer zu empfangen habe?
Keinen Raum bekommt das Leben und die Geschichte der ermorderten Frau. Stattdessen verlieren Sie sich in irrelevanten Ausschmückungen auf ihren Kosten. Welchen Gehalt hat eine Aussage wie “die blonde Lindenauerin”? Welche Relevanz hat es, dass sie Rotwein getrunken hat?
Im Gegensatz zur ermordeten Frau, wird der Mann über seinen Beruf definiert. Diese geschlechtsstereotype Unterteilung (Frau = blond, Mann = Maler) ist per se überholt und kritisch zu betrachten, gleichzeitig verschleiert hier die Hervorhebung des sozioökonomischen Status des Täters, dass Feminizide Alltag in unserer Gesellschaft sind und unabhängig von der sozioökonomischen oder auch ethnischen Herkunft der Täter geschehen.

Erst am Ende des Artikels wird darauf eingegangen, dass Markus W. Dorin V. beschattet haben soll und bereits Monate vor der Tat zu Morden recherchierte. Hier stellen sich wichtige Fragen. Seit wann war das bekannt? Vor der Tat oder erst danach? Hatte Dorin V. bereits versucht rechtlich gegen Markus W.s Verhalten vorzugehen? Hatte sie Angst? Wieso wurde Markus W. sofort als Tatverdächtiger festgenommen? Hier wäre in unseren Augen ein tagesaktueller journalistischer Kommentar interessant. Beispielsweise welche reale Gefahr in Deutschland von Männern ausgeht. Dass jeden Tag ein Mordversuch an einer (Ex)Partner*in verübt wird und jeden zweiten oder dritten Tag gelingt. Dieses Thema erlangte seit Beginn der Corona- Pandemie besondere Aufmerksamkeit, ein Verweis auf das Phänomen partnerschaftliche Gewalt oder Feminizide wäre also einerseits naheliegend (ohne einen nennenswerten Mehraufwand an Recherchearbeit) und andererseits politisch aktuell.
Wichtig wäre an der Stelle auch den Umgang der Sicherheitsbehörden mit der (seit wann bekannten?) Bedrohungssituation für Dorin V. kritisch zu hinterfragen. Hatte sie mit anderen Menschen, vor allem Behörden über das Beobachten und Nachstellen durch Markus W. gesprochen? Wurde sie ernst genommen? Handelt es sich hier auch um ein gesellschaftliches und polizeiliches Versagen? Gab es Ermittlungen? Wird dieses Thema generell ernst genommen? Oder werden Täter durch das Verkennen der strukturellen Komponente nach wie vor geschützt? Zu denken gibt hier der Mord an einer 53-jährigen Frau von ihrem Ex-Partner im nordhessischen Schwalmstadt im Juni diesen Jahres, um nur ein Beispiel zu nennen. Die taz-Journalistin Carolina Schwarz berichtete über das Versagen der Behörden: “Am Vorabend der Tötung hatte es schon einen Polizeieinsatz bei der Frau gegeben, gegen den 58-Jährigen wurde ein Platzverweis ausgesprochen. Am nächsten Morgen zeigt die Frau ihren Ex-Freund wegen Körperverletzung, Nötigung und Nachstellung an. Die Polizei sieht zu diesem Zeitpunkt keine konkrete Gefährdungslage für die Frau. Wenige Stunden später ist sie tot” (https://taz.de/Nach-Femizid-in-Nordhessen/!5856897/). Es ist die Aufgabe guter journalistischer Arbeit hier auf strukturelle Probleme im Umgang mit Gewalt an Frauen zu verweisen und die genannten Fragen zu stellen.
Das verbindende Element der Fälle ist eine Anspruchshaltung von Männern auf Frauen beziehungsweise ihre (Ex-) Partnerinnen.

Der Artikel, den Sie nur wenige Tage später veröffentlichten, enthält leider nur wenig neue prozessrelevante oder ermittlungstechnische Informationen, bietet uns jedoch Anlass zu einer weiteren Kritik und dient uns als Überleitung für ein zentrales Anliegen bezüglich der Berichterstattung zu Feminiziden. Als erstes, der Titel “Rache-Mord nach Online-Date”: Das Wort Rache impliziert dass es eine affektvolle Tat war, die auf einem Fehlverhalten der Ermordeten fußt, etwas für das sich gerächt werden muss. Damit wird die Perspektive des Täters eingenommen.
Problematisch sind auch reißerische Formulierungen wie “eiskalt erwürgen”, insbesondere im Kontrast zu verharmlosenden Passivkostruktionen, hinter denen die Tat beinahe verschwindet: “die Beziehung endete tödlich” statt “er ermordete sie”.

Im Verständnis und im Umgang mit männlicher Gewalt gegen Frauen spielt die mediale Berichterstattung eine große Rolle und damit tragen Sie Verantwortung. Sie sollten männliche Gewalt als solche benennen! Sie sollten Empathie für die Opfer, statt die Täter schaffen! Sie sollten in Ihren Artikeln Anlaufstellen für Betroffene nennen! Sie sollten respektvoll und mit einem echten analytischen Interesse zu diesen Fällen recherchieren!

Wir trauern und gedenken Dorin V.

und den anderen zwölf getöteten Leipziger Frauen

Es heißt Feminizid.

Keine Mehr Leipzig

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KEINE MEHR – ein dokumentarisches Theaterstück über Solidarität

Bühne für Menschenrechte und keine mehr Leipzig laden ein
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In „KEINE MEHR – ein dokumentarisches Theaterstück über Solidarität“ der Bühne für Menschenrechte erzählen drei Frauen* von Gewalt und ihren Erfahrungen. Und von dem unendlichen, empowernden Kampf.
Wir erzählen nicht von „der Frau“ oder „über“ Frauen*, sondern zeigen ein Theaterstück, das mit betroffenen Frauen gemeinsam entwickelt wurde und ihre Appelle vereint. In Kooperation mit Women in Exile, GKB Bundesverband der Migrantinnen e.V. und Wildwasser e.V.
Auf der Bühne stehen drei Schauspielerinnen, denen die Frauen ihre Stimme leihen. Am Hybrid Live DJ Set: Kat Kat Tat (r a n d o m).
Im Gespräch untereinander und ans Publikum gerichtet sprechen sie als Expertinnen aus Erfahrung und als Menschen gemeinsam offen über ihr Leben, ihren Aktivismus und Solidarität untereinander. Dabei wird klar: Während mehr Menschen ein Bewusstsein für Häuslicher Gewalt entwickeln, ist die Gesellschaft für andere Formen von Gewalt an Frauen scheinbar blind: Kulturelle und institutionelle Gewalt an Frauen stehen wenig in der öffentlichen Diskussion. Mehrfachdiskriminierung aufgrund von Rassismus, Religion, Klassismus, Ableismus und daraus entstehende Gewalt an Frauen werden sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft noch so gut wie gar nicht behandelt.
Hier ist es wichtig, den Diskurs weiterzubringen:
Was bedeutet Gewalt gegen Frauen* über sichtbare Verletzungen hinaus?
Was bedeutet mehrfache Gewalt? Und wie geht es den Frauen*?

Am 11.05. im Conne Island
– Stück ist in englisch und deutscher Sprache mit englischen/deutschen/türkischen Übertiteln, spanische Flüsterübersetzung kann bei Anmeldung bereitgestellt werden
– Kartenkauf nur via Reservierung an anmeldung@conne-island.de
– reservierte Tickets, die nicht abgeholt wurden, verfallen 18:20, und werden zu Abendkassentickets
– 18:00 Uhr Einlass
– 18:30 Uhr Beginn
– derzeit gilt die 3G Regel plus Maskentragen im Innenraum
– der Saal des Conne Island ist hindernisfrei

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