Annett S.
Yvonne H.
Franziska S.
Irmgard Z.
Nicole K.
Ngoc Duyen T.
Maria D.
Anja B.
Mahin R.
Sophia L.
Nicky
Myriam Z.
Es heißt Femizid!
Seit 2011 wurden in Leipzig laut unserer Recherche diese zwölf Frauen Opfer von Femiziden. Weitere zwölf Morde stufen wir als Verdachtsfälle ein, weil aktuell nicht ausreichend Informationen über die Fälle vorliegen. Im folgenden geben wir einen kurzen Überblick über die zwölf recherchierten Fälle.
Annett S. wurde nur 21 Jahre alt. Ende Januar/Anfang Februar 2011 wurde sie von ihrem Partner in deren gemeinsamer Wohnung in der Pörstener Straße (Leipzig-Kleinzschocher) erdrosselt. Motiv: Eifersucht. Der Täter wollte nicht akzeptieren, dass sich Annett S. weiterhin mit ihrem Ex-Partner traf. Der Täter erhielt wegen Mordes eine lebenslange Haftstrafe.
Yvonne H. wurde nur 31 Jahre alt. Am 23.09.2011 wurde sie von ihrem Partner in deren gemeinsamer Wohnung in der Zschocherschen Straße (Leipzig-Plagwitz) durch 14 Messerstiche in Rücken- und Brustbereich verletzt und anschließend erwürgt. Motiv: Angeblicher Kontakt zu ihrem früheren Drogendealer. Der Täter erhielt wegen Mordes und besonderer Schwere der Schuld eine lebenslange Haftstrafe.
Franziska S. wurde nur 25 Jahre alt. Am 09.11.2011 wurde sie im Treppenhaus im Studierendenwohnheim in der Johannes-R.-Becher-Straße (Leipzig-Lößnig) von einem flüchtigen Bekannten mit einem Hammer erschlagen. Den Täter kannte Franziska S. nur aus dem Studierendenwohnheim, sie hatte kaum Kontakt zu ihm. Sein Motiv: Franziska S. erwiderte seine Zuneigung nicht und wies ihn zurück. Franziska S. wurde durch den Täter im Vorfeld gestalkt. Der Täter erhielt wegen Mordes eine lebenslange Haftstrafe.
Irmgard Z. wurde nur 78 Jahre alt. Am 17.07.2013 wurde sie von ihren Ehemann in deren gemeinsamer Wohnung auf der Arthur-Hausmann-Straße (Leipzig-Eutritzsch) erstochen. Der Täter wurde als vermindert schuldfähig angesehen, da bei ihm Demenz und Paranoia diagnostiziert wurden.
Nicole K. wurde nur 25 Jahre alt. Am 25.08.2015 wurde sie von ihrem Ex-Partner in ihrer Wohnung in der Wittenberger Straße (Leipzig-Eutritzsch) mit elf Messerstichen ermordet. Motiv: Der Täter wollte die Trennung nicht akzeptieren und beanspruchte einen Besitz auf Nicole K. Der Täter stalkte Nicole K. und hielt sich nicht an ein Kontaktverbot. Der Täter wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Ngoc Duyen T. wurde nur 34 Jahre alt. Am 02.09.2015 wurde sie von ihre Ehemann in deren gemeinsamer Wohnung auf der Georg-Schumann-Straße (Leipzig-Gohlis) erstochen. Ngoc Duyen T. wollte sich scheiden lassen, zudem war der Täter eifersüchtig. Im Gerichtsprozess wurde Ngoc Duyen T. die Schuld für die Handlungen ihres Ehemannes gegeben, da sie ihn beschimpft und gekränkt habe. Der Täter wird wegen Totschlages zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Dem Mann hätte, nach Richter Hans Jagenlauf, „nur ein beschränktes Repertoire an Selbsthilfemöglichkeiten zur Verfügung gestanden“, die Tat sei daher eine Affekthandlung und kein Mord gewesen. Der Frau wird letztlich eine Mitschuld an ihrer Ermordung gegeben. Dem Gedankengang des Richters folgend, hätte sie sich dem Willen des Mannes fügen und wieder unterordnen sollen, anstatt selbstbestimmt zu handeln.
Maria D. wurde nur 43 Jahre alt. Am 09.04.2016 wurde sie in der Wohnung des Täters in der Demmeringstraße (Leipzig-Lindenau) von diesem erwürgt und ihre Leiche später zerstückelt. Maria D. lernte ihren späteren Mörder, mit dem sie später in seine Wohnung ging, am Abend zuvor in einer Kneipe kennen. In der Wohnung vergewaltigte der Täter Maria D. und versuchte die Tat durch den Mord zu vertuschen. Der Täter wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Anja B. wurde nur 40 Jahre alt. Am 29.11.2016 wurde sie in der Wohnung des Täters in der Demmeringstraße (Leipzig-Lindenau) von diesem erwürgt und ihre Leiche später zerstückelt. Anja B. wurde vom selben Mann ermordet, wie auch Maria D.; Anja B. lernte ihren späteren Mörder, mit dem sie später in seine Wohnung ging, am Abend zuvor in einer Kneipe kennen. Anja B. wies die sexuellen Annäherungsversuche des Täters zurück, was er nicht akzeptieren wollte und er sie deshalb tötete. Der Täter wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Später wurde das Urteil bei diesem Mord auf Totschlag abgeändert und eine Haftstrafe von zehn Jahren festgesetzt.
Mahin R. wurde nur 34 Jahre alt. Am 11.08.2017 wurde sie n deren gemeinsamer Wohnung auf der Uhlandstraße (Leipzig-Altlindenau) erstochen. Sie war im achten Monat schwanger. Der Täter war eifersüchtig und nahm an, Mahin R. führe eine außereheliche Affäre. Im Gerichtsprozess wurde ein DNA-Gutachten angefordert, um zu überprüfen, ob das Kind vom Täter stamme oder nicht, um vermeintlich zu klären, ob die Vorwürfe gegen Mahin R. berechtigt seien. Das Gericht unterstellte ihr damit, durch ihr Verhalten eine Mitschuld an ihre zu tragen. Bereits vor der Tat kündigte der Täter mehrmals an, Mahin R. zu töten. Sie kam zeitweise in eine Schutzeinrichtung im gleichen Haus; beide mussten in einer Gemeinschaftsunterkunft leben. Der Täter wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Da keine besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde, könnte der Täter nach 15 Jahren freikommen.
Sophia L. wurde nur 28 Jahre alt. Am 14.06.2018 wurde sie beim Trampen von einem Lkw-Fahrer mitgenommen und kam nicht am Zielort an. Der Lkw-Fahrer ermordete Sophia L. zwischen dem 14. und 17.07.2018. Sophia L. wies ihn ab, als der Täter sich ihr sexuell nähern wollte. Der Täter wollte die Abweisung nicht akzeptieren, weshalb er Sophia L. mit einem eisernen Radmutternschlüssel mehrmals auf den Kopf schlug. Sophia L. lebte nach dem ersten Angriff noch; der Täter ermordete sie in Frankreich und verbrannte ihre Leiche später in Spanien . Am 21.06.2020 wurde ihre Leiche in Nordspanien gefunden. Der Täter wurde wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Nicky wurde nur 25 Jahre alt. Am 15.03.2020 wurde sie auf dem Bahnareal an der Rosa-Luxemburg-Straße (Leipzig-Zentrum/Ost) von einem Unbekannten ermordet. Nicky war obdachlos. Zwischenzeitlich hieß es in Medienberichten, dass gegen einen 20-jährigen Mann ermittelt werde. Aufgrund der massiven Gewalt gegen ihren Kopf und ihr Gesicht, wurde über eine Tat durch einen (Ex-)Beziehungspartner spekuliert. Medien spekulierten aufgrund des Fundortes, es könne sich um eine Tat unter Drogen-Nutzer*innen handeln und zeigten im Weiteren kaum Interesse für die getötete Frau.
Myriam Z. wurde nur 37 Jahre alt. Am 08.04.2020 wurde sie im Parkplatzbereich an der Neuen Linie (Leipzig-Connewitz) mit einem Hammer erschlagen. Er lauerte ihr beim Spazieren gehen auf und griff sie unvermittelt an. Das zwei Monate alte Kind von Myriam Z. blieb unverletzt. Sie hatte gegen ihn ein Annäherungsverbot erwirkt. Der Täter habe aus Eifersucht gehandelt. Vielmehr wollte er die Trennung nicht akzeptieren und beanspruchte einen Besitz auf Myriam Z.
Verdachtsfälle
Die Kategorie Femizid gibt es in der Bundeskriminalstatistik nicht. Nach deutschem Recht kommen bei der vorsätzlichen Tötung von Menschen die Straftatbestände des Totschlags nach § 212 des Strafgesetzbuches (StGB) oder des Mordes nach § 211 StGB in Betracht. Dies gilt unabhängig vom Geschlecht des Opfers.
In der staatlichen Dokumentation wird patriarchale Gewalt nicht als spezifischer Hintergrund analysiert. Es ist demnach nicht erkenntlich, ob das Geschlecht der Frau oder der weiblich gelesenen Person Anlass der Tötung war oder sie im Zuge anderweitiger Hintergründe umgebracht wurde (1). Es wird lediglich die Gesamtanzahl weiblicher Mordopfer erfasst. Deswegen bedarf es einer gesonderten, nicht-staatlichen Recherche, um herauszustellen, ob die Frau oder die weiblich gelesene Person aufgrund ihres Geschlechts ermordet wurde. Diese Recherche hat sich KeineMehrLeipzig zur Aufgabe gemacht.
Durch eine Anfrage an die sächsische Staatsregierung ergab sich, dass seit 2011 insgesamt 24 Frauen in der Stadt Leipzig umgebracht wurden. Zwölf dieser Fälle können wir bereits als Femizide identifizieren. Ihre Namen sind auf den Schildern zu lesen. Bei den weiteren zwölf Verdachtsfällen müssen wir solange von einem Femizid ausgehen, bis unsere Recherche das Gegenteil beweist.
Wir fordern daher:
- Mehr Forschung und korrekte Statistiken zu Femiziden!
- Vor allem die Erfassung von Femiziden, die trans*-, inter- und nicht-binäre Personen beinhaltet und sie nicht, wie bislang, unsichtbar macht!
(1) In der staatlichen Dokumentation wird das Geschlecht binär definiert. Trans*, inter- und nicht-binäre Personen werden nicht als solche erkennbar gemacht. Der Straftaten gegen trans- und intergeschlechtliche Personen können erst seit dem Erfassungsjahr 2020 als Unterthema der Hasskriminalität abgebildet werden.