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Beschwerde beim Presserat über die Berichterstattung von Frank Döring (LVZ)

Bereits in einigen unserer Veröffentlichungen haben wir uns auf die unsachgemäße und verharmlosende Berichterstattung der LVZ im Hinblick auf Femizide bezogen (Mail an Frank Döring, Mail an die Chefredaktion der LVZ) und einen offenen Brief mit Forderung an Medienvertreter*innen formuliert. Frank Döring, welcher teils Ausgangspunkt der Kritik war, berichtete (leider) auch über den Prozessbeginn wegen eines Übergriffs während des HGichT-Konzerts am 27.12.2019 im Conne Island. In seinem Artikel mangelt es in besonderem Maße an Respekt gegenüber Betroffenen und an Empathie und Solidarität für betroffene Personen von sexualisierter Gewalt. Auf voyeuristische Weise gibt er Details der Tat bekannt, die Lesende ohne jegliche Triggerwarnung erreichen und Betroffene nicht schützen.

Wir verurteilen eine derartige Berichterstattung! Frank Döring ist bereits durch seine vorherige Berichterstattung z.B. im Fall von dem Femizid an Myriam Z. durch Verharmlosung der Gewalt und dem Einnehmen der Täterperspektive aufgefallen. 

Deshalb fordern wir, dass Frank Döring von jeglichen journalistischen Tätigkeit auszuschließen ist, welche die Aufarbeitung und Darstellung von Gewalt gegen Frauen zur Aufgabe hat. Folgende Veröffentlichung des Conne Island soll diese Forderung stützen, da auch der Deutsche Presserat einer Beschwerde bzgl. des eingangs genannten Artikels von Frank Döring stattgab. Außerdem geht mit der Veröffentlichung die Ermutigung einher, ähnliche Vorfälle beim Presserat zu melden. 

Danke Conne Island, dass ihr diesen Weg gegangen seid und viel Kraft für die Betroffenen, wir stehen hinter euch!

Hier der Link zur Veröffentlichung des CI: https://www.conne-island.de/news/246.html

Presserat spricht Missbilligung gegen Leipziger Volkszeitung Online aus

Der Deutsche Presserat hat die voyeuristische Berichterstattung der Leipziger Volkszeitung zur Vergewaltigung bei dem Konzert der Band Hgicht.T am 27.12.2019 missbilligt. Den LVZ-Artikel zum Prozessauftakt hat das Conne Island am 11.09.2020 in einer Stellungnahme kritisiert (https://www.conne-island.de/news/231.html). Drei Privatpersonen (aus dem Umfeld des Conne Islands) haben beim Deutschen Presserat Beschwerde eingelegt. Grundsätzlich ist es nur Privatpersonen möglich, diesen Beschwerdeweg beim Presserat zu gehen.

Der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats ist der Beschwerde nachgegangen und hat diese überprüft. Dazu wurde auch die Chefredaktion der LVZ befragt, welche die Beschwerde zunächst zurückwies. Die Chefredaktion stufte die Berichterstattung als presseethisch richtig ein, gab aber an, eine der Passagen, die auch Gegenstand der Beschwerde sind, nach der Veröffentlichung noch einmal gekürzt zu haben.

Der Beschwerdeausschuss hat einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Ziffer 11 des Pressekodex festgestellt, da über die Betroffene in einer über das öffentliche Informationsinteresse hinausgehende Art und Weise berichtet wurde und erkennt eine unangemessene, sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid an. Der Ausschuss sprach eine Missbilligung aus und empfahl der LVZ, diese entsprechend des § 15 der Beschwerdeordnung abzudrucken.

Das Beispiel zeigt, dass eine Beschwerde beim Presserat die verantwortlichen Personen in die Pflicht nehmen kann, ihre Berichterstattung zu rechtfertigen, beziehungsweise zu hinterfragen. Grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, dass durch vermehrte Berichterstattung die Häufigkeit von sexualisierter Gewalt an Frauen sichtbar wird. Die Berichterstattung muss aber sensibel, anonymisiert und ohne die unnötige Verherrlichung von Gewalt und Leid erfolgen, um die betroffenen Personen nicht noch zusätzlich zu belasten. Wenn über Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe mehr als nur die notwendigen Informationen und Sachlichkeit hinaus berichtet werden, liegt der Fokus nicht auf der Sanktionierung und Verhinderung weiterer Übergriffe, stattdessen werden gesellschaftliche Strukturen und Mythen der Ursächlichkeit von Gewalt gegen Frauen reproduziert.

Es gilt auch allgemein, die oft stereotypen, klischeehaften und schablonenartigen, längst überholten Narrative in der Berichterstattung zu erkennen, auf sie aufmerksam zu machen, einen Reflektionsprozess anzuregen und ein diskursives Umdenken einzuleiten. Zu oft werden in der Berichterstattung – beispielsweise zum Femizid im Leipziger Auwald im April 2020 – Schwerpunkte gesetzt, die das Problem der strukturellen Gewalt an Frauen in den Hintergrund treten lassen oder Zusammenhänge konstruiert, welche die Schwere der Tat auf eine vermeintliche Normalität oder gar eine Mitschuld der Frau konstruieren. Wir fordern einen redaktionsinternen Reflexionsprozess für eine Berichterstattung, der die Systematik von Gewalt an Frauen nicht reproduziert.

Wir danken für die Einreichung der Beschwerden und möchten dazu ermutigen, den Schritt im Interesse einer angemessenen qualitativen Berichterstattung immer in Betracht zu ziehen.